Über das Jüngersein

Bibeltext: Matthäus 28. 19

Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker
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Wir wollen heute über einen biblischen Begriff nachdenken, der uns allen wohlvertraut ist, aber - wie bei vielen biblischen Begriffen - ist nicht immer damit automatisch klar, ob wir uns des Inhalts und der Bedeutung des Begriffes bewusst sind. Fehlt das, kann man in der Regel das auch nicht ausleben, was der Begriff sagen will. Laufe ich andererseits bei dem einen oder anderen mit meinen Ausführungen offene Türen ein, ist es vielleicht doch eine nützliche Erinnerung oder Vertiefung.

Es geht um den Begriff J ü n g e r und, um es ganz praktisch werden zu lassen: um das Jüngersein.

Bevor der Herr Jesus seine offizielle Tätigkeit in Israel beginnt, beruft er sich Jünger, 12 an der Zahl, wie wir wissen. Brauchte Jesus Jünger? Konnte er seinen Auftrag nicht alleine und selbst erfüllen? Sicherlich hätte er das gekonnt. Aber Jesus Auftrag war nicht nur Menschen von Sünde und Schuld am Kreuz zu erlösen und sie - einmal rein sachlich gesehen - 'himmelfähig' zu machen, sondern das Gesamtzeugnis der Bibel lautet, dass wir Menschen in ein ganz besonderes Verhältnis zu Jesus kommen sollten, in den des Jüngers. So ist die Berufung der 12 Jünger zu Beginn der Laufbahn Jesu nicht einmalig, sondern der Auftakt zu einer grandiosen Aktion. Jesus sagt später einmal zu seinen 12 Jüngern:

Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker. (Matthäus 28, 19)

Das ist eine wunderbare Erkenntnis: Jesus achtet uns Menschen so sehr, daß er möchte, daß wir seine Mitarbeiter werden. Christ zu werden, bedeutet deshalb: Jünger zu sein. Es betrifft also jeden, der durch Reue und Buße zur Sündenvergebung gekommen ist, daß er in den Stand des Jüngers versetzt wird. Deshalb lasst uns einmal nachforschen:

Was ist ein Jünger?

Was bedeutet dieser Begriff?

Wie oft im Wort Gottes, ist dies ein prä-biblischer Begriff, also ein Begriff den es auch schon zuvor im profanen, weltlichen Bereich gab und der im christlichen Sprachgebrauch übernommen wurde, vom Begriff her, aber nicht inhaltlich in allen Punkten.

Die Bedeutung des Begriffs Jünger in der damaligen Umwelt war folgender. In der Übersetzung aus dem Griechischen bedeutet der Begriff: Lehrling, bzw. Lernender. Aus dem Hebräischen heißt es ähnlich: Schüler. Wie gesagt, der Begriff ist geblieben, auch bei Jesus heißt es:

...lernet von mir (Matthäus 11, 28)

seid also meine Schüler, geht zu mir in die Lehre. Er ist der Meister, wir die Jünger, die von ihm Lernenden. Der Inhalt dieses Begriffs aber wurde nur teilweise übernommen. Wie war es damals?

Die alte Bedeutung des Begriffs Jünger.

Die griechischen Philosophen hatten Jünger, die sich ihre Lehre aneigneten, nicht nur um sie weiterzugeben, sondern um sie weiter zu entwickeln. Sie wollten nicht Jünger, Lernende bleiben, sondern selbst einmal Meister werden. Jüngersein war für sie nur Durchgangsstadium. So brachten berühmte Philosophen neue berühmte Philosophen hervor. So war z.B. Plato Schüler von Sokrates.

Ähnlich war es bei den Schriftgelehrten, den Pharisäern, sie hatten ebenfalls Jünger, Lehrlinge, die selbst einmal Schriftgelehrte, Meister werden wollten. So war bekanntlich Paulus Jünger, Schüler bei dem Schriftgelehrten Gamaliel. Wer Jünger werden wollte, in die Schule eines Meisters gehen wollte, musste bestimmte Voraussetzungen mitbringen, zum Beispiel:

charakterliche - intellektuelle -finanzielle,

bei den jüdischen Schriftgelehrten musste ein Schüler natürlich zum Volk Israel gehören und anderes mehr war erforderlich. Dabei war für die Auswahl des Rabbis nicht so sehr seine Person ausschlaggebend, sondern seine Lehre. Der Lehrer wurde zwar hochgeachtet, aber ebenso kritisch - skeptisch beleuchtet, und man hielt immer Ausschau nach einem noch besseren Lehrer. Vorherrschend war nicht die Person, sondern die Sache, die Lehre, die Theorie, nicht das Leben waren ausschlaggebend.

Ganz anders

Das Jüngersein bei Jesus.

Hier bekommt das Jüngersein einen ganz anderen Inhalt. Fangen wir bei den Voraussetzungen an. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Jünger Jesu zu werden? Intelligenz, Geld, Charakter, Völkische Abstammung o.ä.? Nichts von alle dem.

Es gibt keine Voraussetzung, oder nur eine: Ein erlöster Sünder zu sein! Jeder, ob hoch oder tief, sehr intelligent oder einfach in der Bildung, jeder ist berufen, wenn er nur Jesus als seinen Herrn anerkennt. Jünger Jesu werden also nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten ausgewählt, sondern aus Gnaden berufen.

Wir sind nicht Jünger weil wir Jünger werden wollten, sondern weil Jesus uns erwählt hat. Natürlich muss ein Jünger Fähigkeiten haben. Aber bei Jesus zählen nicht unsere natürlichen Begabungen, sondern er befähigt uns durch den Heiligen Geist mit geistlichen Fähigkeiten und Gaben. Schon im Alten Testament wird berichtet, daß Gott seine Kinder mit außergewöhnlichen Gaben zum Tempelbau ausgestattet hat, sogar mit praktischen, handwerklichen Fähigkeiten, wie viel mehr erst begabt Jesus seine Jünger, die schließlich eine Welt für das Evangelium gewinnen sollen. Nach dem Neuen Testament will Gott viele Gaben in die Gemeinde geben. Wir lesen z.B. im 1. Korinther 12, 28:

Und Gott hat gesetzt in der Gemeinde aufs erste Apostel, aufs andere Propheten, aufs dritte Lehrer, danach Wundertäter, dann Gaben gesund zu machen, Helfer, Regierer, mancherlei Zungen.

So will Jesus uns auch nicht vorrangig eine Lehre vermitteln. Wir wissen, daß Jesus kein geschlossenes Lehrsystem hinterlassen hat. Nicht einen einzigen schriftlichen Satz hat er für uns geschrieben, das alles hat er seinen Jüngern überlassen. Jesus will uns, seinen Jüngern, nicht nur Wissen weitergeben, seine Hauptaussage ist nicht:

Ich weiß, sondern:

Ich bin:der Weg, die Wahrheit, das Leben, das Licht der Welt, Brot des Lebens, der Weinstock, der gute Hirte, die Auferstehung und das Leben, das A uns O

So erwartet er von seinen Jüngern nicht, daß sie sich großes Wissen aneignen, sondern das sie 'sind'! Jesus Erwartung an uns lautet 'seid':

ihr seid das Salz der Erde, das Licht der Welt, seid freundlich und barmherzig, seid hilfreich und gut, seid gastfreundlich, seid eines Sinnes, seid in brüderlicher Liebe verbunden und manches andere wäre noch zu nennen.

Wir sollen eine Welt nicht überzeugen durch Worte, sondern durch Charakter.
So sagt Gottes Wort:

Das Reich Gottes besteht nicht in Worten, sondern in Kraft (1. Korinther 4, 20)

Wenn Jesus sagt :

...lernet von mir,
dann nennt er nun nicht verschiedene Wissensgebiete, sondern sagt:

...lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig! (Matthäus 11,28)

Er nennt Charaktereigenschaften!

So bringt Jesus nicht eine neue Lehre, sondern sich selbst. Während die Lehrer früherer Zeiten unnahbar und fern waren in ihrer Haltung zu ihren Jüngern, sagt Jesus:

Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende. (Matthäus 28, 20)

Und so sehr er auch immer der Meister bleibt, ist der doch zugleich auch Bruder und Freund. Jüngersein ist Lebens- und Schicksalsgemeinschaft mit Jesus. Wir sind ganz auf ihn angewiesen,

ohne mich könnt ihr nichts tun

sagt Jesus. Andererseits aber sagt er auch:

Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue und wird größere als diese tun! (Johannes 14, 12)

Und Paulus sagt:

Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus!

Welch eine großartige Verheißung. Dennoch ist für uns Jünger kein Durchgangsstadium, sondern eben Lebensaufgabe. Wir werden nicht größer als der Meister, aber können durch ihn größeres tun! Damit sind wir wieder beim Heiligen Geist, der die Kraft dazu gibt! Deshalb noch einmal, unser Potential im Geistlichen stützt sich nicht auf Wissen, sondern auf Macht, auf 'Vollmacht ' von Jesus her. Er hat uns, seinen Jüngern verheißen:

Sehet, ich habe euch Vollmacht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und über alle Gewalt des Feindes, und nichts wird euch schaden. (Lukas 10, 19)

Ahnen wir ein bisschen, was Jünger vermögen, wenn sie wirklich im Glauben an den Meister leben? Schauen wir in die Apostelgeschichte und in die Kirchengeschichte, da sehen und hören wir von den großen Taten Gottes, die auch die Taten der Apostel genannt werden :

Krankenheilungen,
Totenerweckungen,
Evangelisationen mit vielen Bekehrungen.
Geistliche Erweckung
Dämonenaustreibungen
Geistvermittlung
Und sie erleben, wie Gott zu ihrer Rettung und Hilfe Erbeben kommen lässt und aus Gefängnissen befreit.

Und von vielen anderen Taten und Befähigungen ist die Rede. Und damit sind wir bei der eigentlichen Berufung eines Jüngers: Menschen unter das Kreuz zu führen, und sie zu Jesus zu bringen , der ihnen ewiges Leben gibt.

Dabei wollen wir uns den Ernst der Lage noch einmal verdeutlichen:
Wir, die Jünger Jesu, sind die einzigen, die das Evangelium verkünden sollen. Jesus kommt nicht selbst auf die Erde, er sendet nicht seine Engel um die frohe Botschaft zu verkünden, er hat das Evangelium nur uns, seinen Jüngern anvertraut. Welch eine Verpflichtung. Wenn wir nicht verkünden, tut es niemand!

Die ersten Jünger haben das mit großen Eifer und Erfolg getan. Ist das alles Vergangenheit, oder können wir das heute noch erleben? Jesus hat sich nicht verändert und hat heute die gleiche Kraft wie vor 2000 Jahren. Was müssen wir tun, um wieder in diese Situation zu kommen? Denn von all dem Geschilderten wissen wir doch in unserer Zeit recht wenig. Wir müssen wieder wirkliche Jünger werden, die es wahr machen:

Trachtet zuerst nach den Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit. (Matthäus 6,33)

alles andere, was ihr braucht, wird euch dann zufallen , heißt es sinngemäß weiter. Zunächst muss uns eine göttliche Dankbarkeit überkommen über all das, was Jesus uns gegeben und verheißen hat, und dann eine heilige Unzufriedenheit über das, was wir nicht haben aber was Jesus uns zugesagt hat.

Wir, meine Frau und ich, haben das schon einmal durchlebt. Es ist jetzt gut 20 Jahre her, wo wir in die Frage kamen: Herr, dein Wort ist voll von so vielen Verheißungen und Taten, warum haben wir das heute nicht. Wir sind ja dankbar für das was wir haben, eine Gemeinde als geistliches Zuhause, gute Geschwister im Glauben. Aber uns fehlen die Kraftwirkungen Gottes, Zuteilung des Geistes Gottes, Bekehrungen, wir sind nicht zufrieden mit dem was wir haben, so dankbar wir dafür auch sind. Wir haben das formuliert in der Aussage: Wir haben eine Göttliche Dankbarkeit aber auch eine Heilige Unzufriedenheit. Und dann haben wir viel gebetet und geglaubt und geopfert. Die drei Angelpunkte um die es ging hießen: Gebet, Glaube, Opfer. Das haben wir konsequent gelebt, eben wie Jünger. Und dann wirkte Gott. Wir wurden damals beauftragt, eine Zweiggemeinde zu gründen und begannen mit etwa 25 Personen in einem neuen Stadtteil Gemeinde zu bauen.

Innerhalb von zwei Jahren hatten wir die Zahl Einhundert in der Mitgliedschaft überschritten. Wir konnten gar nicht so schnell neue, größerer Gemeindehäuser beschaffen, wie wir an Zahl wuchsen. Jedes Jahr wurden bis zu 50 Personen getauft. Und wir haben das wirklich erlebt: Krankenheilungen, Krafttaten, Naturwunder und vieles mehr.

Jüngersein ist also nicht so sehr Lernvorgang - also keine Bange für alle, die nicht so gerne lernen - sondern Lebensänderung, Charakterbildung in das Wesen Jesu hinein, dafür gab er den Heiligen Geist. Das bedeutet aber durchaus: volle Hingabe an ihn, sich ganz nach ihm und seinem Wort ausrichten.

Im Englischen heißt das Wort für Jünger 'disciple' was auf das uns bekannte Wort 'Disziplin zurückgeht. Das wieder bedeutet einmal: Zucht und Ordnung akzeptieren, gute Gewohnheiten einzuhalten und zu pflegen, auch wenn man nicht unbedingt 'Lust' dazu verspürt (z.B. in den Gottesdienst gehen nach seiner Gewohnheit, wie es von Jesu einmal heißt.) Unser Slogan war: Jeden Tag mit Jesus und keinen Sonntag ohne Gottesdienst.

Und es bedeutet auch: sich bewußt etwas aneignen und darin bleiben, eben diszipliniert leben. Manchmal überkommt uns dann die Angst, ob wir das schaffen, wo wir doch so schwache Menschen sind. Nun, als Menschen sind wir oft genug schwach und wenig tauglich. Aber nicht als Christen und als Jünger Jesu.

Wissen wir, daß es keine schwachen Christen geben kann? Hören wir was Gottes Wort sagt. Paulus redet im Römerbrief 15, 1 von denen: die wir stark sind! Es gibt also Jünger die Kraft und Stärke haben. Und was ist mit den Schwachen? Jesus sagt:

Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. (2. Korinther 12, 9)

Dieses Wort muss man recht verstehen und interpretieren. Die meisten Christen tun es so, daß sie wie folgt betonen: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Sie hören und betonen nur das Schwachsein und entschuldigen damit ihre eigene Kraftlosigkeit. Heißen muss es aber: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig! Die Betonung liegt auf 'mächtig.'

Das bedeutet dann, wenn man stark ist, ist es kein Problem, dann hab ich was ich brauche durch Gottes Gnade. Wenn ich schwach bin, was soll’s, dann kommt Gottes Kraft zum Tragen. Paulus hat das richtig erkannt. Er sagt:

Was schwach ist, hat sich Gott erwählt. (1. Korinther 1, 27)

und aus eigenen Erleben kann er sagen:

...denn wenn ich schwach bin, bin ich stark! (2. Korinther 12,10)

Darum können wir ohne ihn nichts tun, aber mit Gott, sagt David einmal, können wir Mauern überspringen. Möchten wir wieder in solch eine Jüngerschaft kommen? Abschließend möchte ich dazu einen kleinen Abschnitt aus einem biblischen Lexikon lesen, der uns sagt, wie wirkliche Jüngerschaft aussieht bzw. wie man wieder hineinkommt:

Die Voraussetzung der Jüngerschaft ist eine bedingungslose und uneingeschränkte Hingabe an den Herrn. Nach Jesu Worten kann nur der Jünger sein, der auch die nächsten Verwandten und das eigene Leben nicht mehr liebt als ihn und allem absagt was er hat. Er muss sich selbst verleugnen, das Kreuz auf sich nehmen und sein Leben um Jesu willen verlieren. Nicht "Herr, Herr" sagen macht den Jünger aus, sondern das Tun des Willens Gottes, der Gehorsam.

Soweit das Zitat. Wem das zu schwer vorkommt, der denke an unsere Interpretation des Schwach- und Starkseins. Und letztlich soll auch das gesagt werden:

Jünger dürfen fröhlich und getrost sein, denn sie werden selig gepriesen, sie brauchen sich nicht zu sorgen, denn Jesu sorgt für sie. Und da, wo sie Opfer bringen, werden sie es hundertfältig zurückerhalten und das ewige Leben dazu. Welch ein Herr!

Amen !

Heikendorf bei Kiel, 28. 4. 96 Predigt von Robert Nowak) www.nowakpredigtbuch.de

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